Das Unterwasserlaufband – oder: Vom guten Physiotherapeuten

Jeder, der mit der Hundephysiotherapie schon einmal in Kontakt gekommen ist, hat sicher schon mal vom Unterwasserlaufband gehört. Therapeuten sowieso, einige Tierärzte und auch der ein oder andere Hundehalter. Für alle die nicht wissen, was das ist: Ein Laufband in einem großen Glaskasten, welcher mit Wasser gefüllt wird, sodass der Hund auf dem Laufband im Wasser läuft.

 

Ich selbst habe davon das erste Mal in meiner Ausbildung gehört und es live und in Farbe gesehen. Schnell stellte sich unter den Azubis das Bild ein, dass ein Unterwasserlaufband (kurz: UWL) zwingend zur Grundausrüstung eines guten Therapeuten gehört. Die Vorteile scheinen einfach zu überwiegen. Mal ganz abgesehen vom Marketingeffekt.

Im Vordergrund beim Training im UWL steht der Muskelaufbau. Die Vorteile sind u.a.:

  • intensives Training in vergleichsweise kurzer Zeit
  • Gelenkschonend durch den Auftrieb des Wassers
  • sauberes, angenehm temperiertes Wasser
  • individuelles Intensivieren durch Schrägstellen/Gegenstromanlage möglich
  • kleine Hunde können darin auch schwimmen

Wenn man vom Preis dieses Hightech-Therapiegerätes erfährt, überlegt man sich andere Motive, die den späteren Flyer und die Webseite zieren sollen. Denn die gehen, je nach Ausstattungsvariante und Größe so bei ca. 16.000 – 20.000€ los – netto.

Nach der Ausbildung kommt dann wieder das Thema hoch. Gibt es nicht doch die Möglichkeit, das irgendwie mit Leasing oder so zu stemmen? Jaja… Man sollte erst einmal den ersten Euro verdienen bevor man sich Gedanken darüber macht 300€ Leasinggebühren pro Monat zu zahlen. Und so war ich zumindest beim UWL vernünftig und habe diesen „Wunsch“ wieder verworfen.

 

Gar nicht so leicht, sich einzureden, dass man das NICHT zwingend braucht. Denn die Tierärzte, die immerhin schon so weit sind, ihren Patienten Physiotherapie zu empfehlen, setzen Physio mit dem UWL gleich, bzw. sind der Meinung, dass dies die einzig sinnvolle Therapiemaßnahme sei. Oder man wird gefragt: „Du sag mal, du machst doch Hundephysiotherapie. Eine Freundin hat einen Hund mit Krankheit xy und sucht jemanden mit UWL.“ Antwort: „Ja, das bin ich. Ein UWL habe ich nicht, aber man kann noch wesentlich mehr machen als UWL.“ Nie wieder was gehört.

Was viele vergessen: Bevor man mit der Physiotherapie beginnt, wird ein Befund durchgeführt, bei dem alle „Baustellen“ des Hundes, im Sinne von Muskelverspannungen, -atrophien, Bewegungseinschränkungen, Triggerpunkten, Blockaden etc. aufgespürt werden. Anhand dessen wird ein Therapieplan erstellt. An erster Stelle steht dabei die Schmerzlinderung, bei neurologischen Patienten dicht gefolgt von der Wiedererlangung des Stehvermögens bzw. eines physiologischen Gangbildes. Man geht nicht einfach hin und sagt „ich will mit meinem Hund auf dem UWL trainieren“. Wenn euch der Therapeut dennoch einfach so rauflassen würde, fahrt bitte direkt wieder nach Hause. Keinen Befund zu erstellen, grenzt an Fahrlässigkeit. Wenn euer Hund keine bekannte Erkrankung hat, sollte er sich zumindest kurz das Gangbild ansehen und sich einen Gesamteindruck verschaffen.

 

In der Regel passiert also eine Menge vorab, bevor der Hund überhaupt so weit ist, im UWL trainieren zu können. Des Weiteren darf man auch nicht vergessen, dass man Muskelaufbau auch mit anderen Methoden erreichen kann. Mit stabilisierenden Übungen, Gerätetraining, Gewichtsbandagen, durch Sand laufen und bei wärmeren Temperaturen durch Schwimmen bzw. im Waser laufen im nächstgelegenen See oder Fluss (das ist für den Tierhalter auch noch deutlich günstiger ;-) ).

 

Seitdem ich Ende 2016 mit meiner eigenen Praxis losgelegt habe, hatte ich genau 3x die Situation, dass ich das UWL als eindeutig bessere Alternative vermisst habe. In einem Fall ist die Halterin sogar parallel zu meiner Therapie 1-2x/Woche zu einer Kollegin mit UWL gefahren, nachdem der Hund nach Femurkopfresektion schmerzfrei war und das operierte Bein zumindest hin und wieder mal absetzte – hat wunderbar geklappt.

Im Laufe der Zeit hört man dann auch die ersten negativen Stimmen. Geschichten von Hunden, die nach einem Rückenmarksinfarkt in mühevoller, monatelanger Arbeit wieder das Laufen lernen und sie einen herben Rückschlag nach der ersten Einheit auf dem UWL erleiden, weil man die Anstrengung unterschätzt und es direkt übertrieben hat. Man sieht Videos, in denen Praxen die Arbeit auf dem UWL zeigen und damit werben – mit Hunden die astrein im Pass1 laufen. Das ist dann wohl das Ergebnis, wenn Therapeuten das tun, was meine Ausbilderin damals schon anmahnte: „Einige Therapeuten werden durch das UWL faul und schmeißen die Hunde da viel zu früh drauf.“ Und das Erlangen eines physiologischen Gangbildes und der korrekten Schrittfolge sollte vorab erfolgen. (Ausnahme ist hier die Arbeit mit Hunden, deren Hintergliedmaßen gelähmt sind und die mit manueller Hilfestellung des Therapeuten im Wasser die ersten Schritte machen.)

 

Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass ein UWL ein sinnvolles Therapiegerät ist, solange die Vierbeiner vorab ausreichend darauf vorbereitet wurden. Allerdings gibt es auch einige alternative Möglichkeiten mit anderen Methoden die gleichen Ziele zu erreichen. Einen wirklich großen Vorteil haben sie aus meiner Sicht bei Hunden, die aus Gewohnheit (nicht aus Schmerz!) eine Gliedmaße schonen oder entlasten und bei sportlich geführten, gesunden Hunden, die intensives Aufbautraining benötigen.

Bei der Auswahl des richtigen Therapeuten solltet ihr nicht danach gehen, ob er ein UWL besitzt (auch nicht wenn der Tierarzt dies empfiehlt), denn ein UWL ist nicht automatisch ein Zeichen von guter Qualität. Wenn es das wäre, dann gäbe es kaum gute Human- oder Pferdetherapeuten, denn wie viele von denen besitzen ein Bewegungsbad oder ähnliches? Um den richtigen Therapeuten für sich zu finden, sollte man wie so oft im Leben auf sein Bauchgefühl hören. Wird ein gründlicher Befund erstellt? Ist mir als Halter klar, wie es um meinen Vierbeiner steht, was das Therapieziel ist und wie dieses erreicht werden soll? Fühle ich mich mit dem eingeschlagenen Weg wohl und ist der Therapeut bereit, etwas anderes zu probieren, wenn die Therapie nicht anschlägt?

 

Ob ich mir dennoch irgendwann mal ein UWL kaufen würde? Ja, aber erst wenn ich es mir mit den eigenen Händen erarbeitet habe und wenn mir nicht vorher ein Raum über den Weg läuft, in dem ich einen Therapiepool aufstellen kann ;-)

In diesem Sinne – ein schönes Restwochenende euch allen!

 

 

P.S. Ich mag mein Geschlecht, habe mich aufgrund der Lesbarkeit aber dennoch auf die männliche Form beschränkt.

 

1 Beim Pass läuft der Hund im Zweitakt und das gleichseitige Beinpaar fußt gleichzeitig. Normal sollte er im Schritt gehen, ein Viertakt, bei dem eine Pfote nach der anderen abfußt. Der Passgang kann ein Hinweis auf Rückenbeschwerden oder Ataxien sein. Manche Rassen neigen jedoch dazu.

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Kommentare: 1
  • #1

    Sarah (Mittwoch, 24 Juli 2019 13:12)

    Super, der Text hätte von mir sein können. Danke!